In vielen digitalen Transformationsprojekten sehe ich wiederkehrende Lücken: nicht nur technische Skills fehlen, sondern vor allem Rollen, die Brücken schlagen zwischen Strategie, IT, Operativem und Kunden. Aus meiner Beratungspraxis weiß ich, dass diese Lücken Projekte verlangsamen, Budgets sprengen und am Ende den gewünschten Nutzen verhindern. In diesem Beitrag beschreibe ich die typischen fehlenden Rollen und Fähigkeiten und gebe pragmatische Wege, wie Sie sie besetzen können – schnell, praxisorientiert und mit Blick auf nachhaltigen Erfolg.
Welche Rollen fehlen häufig?
Vorab: Es geht nicht nur um Entwickler oder Cloud-Architekten. Die entscheidenden Lücken liegen oft in den Schnittstellenrollen und bei denjenigen, die Entscheidungen operationalisieren.
- Digital Product Owner / Product Manager – Eine Person, die Business-Ziele in priorisierte Produktanforderungen übersetzt und den Backlog steuert. Ohne sie entsteht ein Flickenteppich an Anforderungen.
- Business Analyst / Prozessmoderator – Jemand, der bestehende Prozesse analysiert, Optimierungspotenzial identifiziert und Anforderungen methodisch sauber erfasst.
- Change Manager / Communication Lead – Transformation scheitert selten an Technik, sondern an Adoption. Kommunikatoren, die Stakeholder abholen, sind essenziell.
- Data Engineer / Data Steward – Digitale Projekte sind datengetrieben. Fehlt die Rolle, bleiben Dateninseln und Analysen unzuverlässig.
- Cloud- oder Plattform-Architekt – Nicht nur Entwickler, sondern Architekten, die eine skalierbare, sichere Zielarchitektur entwerfen.
- UX-Designer / Researcher – Nutzerzentrierte Lösungen benötigen echtes Nutzerverständnis und Testzyklen.
- DevOps / SRE – Für kontinuierliche Lieferung und Stabilität werden Operations-Skills benötigt, die Entwicklung und Betrieb verbinden.
- Security & Compliance Officer – Datenschutz und regulatorische Anforderungen müssen von Anfang an berücksichtigt werden.
- Projekt-Steuerung / PMO mit agilem Fokus – Ein PMO, das agile Wege unterstützt und gleichzeitig Reporting & Budgetverwaltung übernimmt.
Welche Skills fehlen typischerweise?
Technische Skills gibt es oft. Was häufig fehlt sind Fähigkeiten, die Menschen, Prozesse und Technik integrieren:
- Systemisches Denken – Fähigkeit, Auswirkungen von Änderungen über Organisationseinheiten hinweg zu sehen.
- Priorisierung & Roadmapping – Entscheiden, was zuerst kommt, um schnellen Value zu liefern.
- Stakeholder-Management – Konflikte moderieren, Erwartungshaltungen steuern.
- Experimentierkompetenz – Hypothesen formulieren, schnell testen und lernen.
- Data Literacy – Verstehen, welche Daten relevant sind und wie sie interpretiert werden.
- Kommunikationsdesign – Inhalte zielgerichtet für verschiedene Zielgruppen aufbereiten.
Wie besetze ich diese Rollen pragmatisch?
In meinen Projekten empfehle ich keinen dogmatischen Vollbesetzungsplan, sondern einen hybriden, iterativen Ansatz. Hier die pragmatischen Optionen:
- Priorisieren nach Impact + Rarity: Starten Sie mit einer Skill-Matrix: welche Rolle hat den größten Hebel auf nächste Meilensteine und wie schwer ist sie intern zu finden? Besetzen Sie zuerst die High-Impact, Rare-Rollen (z. B. Product Owner, Data Engineer).
- Interims- und Fractional-Rollen: Statt sofort Festanstellungen: Engagieren Sie erfahrene Interim-Product-Owner oder Fractional CDOs. Das ist schneller, günstiger und bringt Know-how.
- Cross-Functional Squads: Bauen Sie kleine, funktionsübergreifende Teams mit einem klar definierten Ziel. So schaffen Sie Schnittstellen ohne lange Abstimmungswege.
- Outsourcing gezielt nutzen: Wählen Sie Partner für non-core, aber hoch spezialisierte Aufgaben (z. B. Cloud-Migration, Security-Audit). Achten Sie auf Wissenstransfer, damit das Projekt nicht vom Anbieter abhängig wird.
- Up-/Reskilling intern: Identifizieren Sie High-Potential-Mitarbeiter und investieren Sie in gezielte Trainings (z. B. Data Engineering Kurse, UX Bootcamps, agile Ausbildung). Kombinieren Sie Training mit Coaching on the job.
- Centers of Excellence (CoE) – schlanke Kompetenzzentren für Data, Cloud oder UX. Diese können als Shared Service fungieren und Standards, Templates und Coaching bereitstellen.
- Kooperation mit Hochschulen und Bootcamps: Für Data- und DevOps-Skills funktioniert ein „Talent-Pipeline“-Ansatz: Kooperationen, Praktika und kurzzeitige Projektarbeiten.
Praktische Besetzungsbeispiele
In einem mittelständischen Transformationsprojekt, das ich begleitet habe, setzte ich folgendes Muster ein:
- Product Owner: Fractional (2 Tage/Woche) aus Beratung, bis internes Talent aufgebaut war.
- Data Engineer: Externer Dienstleister für initiale Pipeline, parallel internes Team aufgebaut.
- UX Research: Freelance-Researcher für zwei Iterationen, Wissen dokumentiert und in Playbooks überführt.
- Change Lead: Interne Stelle, unterstützt durch einen externen Kommunikationsberater für Kampagnenplanung.
Checkliste: Wie entscheide ich, ob intern, interim oder extern?
| Frage | Interne Besetzung | Interim / Extern |
|---|---|---|
| Strategische Relevanz | Hoch – langfristig entscheidend | Niedrig – temporär oder Spezialwissen |
| Skills vorhanden? | Ja – upskilling möglich | Nein – kurzfristig nötig |
| Notwendiger Zeithorizont | Dauerhaft | 3–12 Monate / Projektphase |
| Wissenstransfer notwendig | Gering/Medium | Hoch – Vertraglich sicherstellen |
Organisatorische Hinweise für schnelles Handeln
Ein paar pragmatische Maßnahmen, die ich regelmäßig empfehle:
- Garantierter Wissenstransfer in Verträgen verankern (z. B. Shadowing, Dokumentation, Workshops).
- Kurzfristige Pilotprojekte (3–6 Monate) mit klaren KPI: So testen Sie Rollen und Arbeitsweisen mit geringem Risiko.
- Playbooks & Templates erstellen: Standard-User-Stories, Akzeptanzkriterien, Reporting-Vorlagen beschleunigen die Onboarding-Zeit neuer Rollen.
- Governance leicht halten: Zu viel Steuerung killt Geschwindigkeit. Klare Entscheidungsrechte (RACI) reichen in der Regel.
Tools und Partner, die mir in Projekten geholfen haben
Ich nenne gerne konkrete Werkzeuge, weil sie die Umsetzung erleichtern:
- Für Product- & Roadmapping: Jira Align oder Productboard.
- Für Data Engineering: dbt in Kombination mit Cloud-Diensten wie AWS oder GCP.
- Für Collaboration & Adoption: Confluence, Notion und interne Learnings-Plattformen.
- Für UX Research: Remote-Testing-Tools wie Lookback oder UserTesting.
Wenn Sie jetzt denken: „Bei uns fehlen genau diese Rollen“, dann starten Sie nicht mit einer langen Stellenausschreibung. Machen Sie eine schnelle Priorisierung, testen Sie mit Interim- oder Freelancer-Rollen und bauen Sie parallel intern Kapazitäten auf. So schützen Sie Ihr Projekt vor typischen Stolperfallen und schaffen nachhaltige Fähigkeiten im Unternehmen.